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Ramada Cup in Kassel
oder
Studenten on Tour
Der typische Student schläft lange, steht mittags auf und geht
frühestens um 2 Uhr ins Bett. Umso erstaunlicher ist es daher, dass die Brüder
Tobias und Kristoffer Falk an dem ersten Aprilwochenende zum Ramada Cup nach Kassel
aufbrachen und gerade jetzt in der vorlesungsfreien Zeit (für gewöhnlich
ein Grund noch länger zu schlafen und später ins Bett zu gehen) ihren Tagesrhythmus
freiwillig umstellten.
Ein möglicher Grund könnte dabei die Chance zur Qualifikation für die
Deutschen Amateurmeisterschaften sein. So werden in 6 Turnieren in jeweils 6 verschiedenen
Gruppen die 6 besten Spieler gesucht. Die beiden Teilnehmer aus Winsen/Aller gingen
in der B-Gruppe an den Start (DWZ oder ELO von 1900-2100) und vor allem Tobias, der
mit einer DWZ von 1913 und einer ELO von 2027 auf Startplatz 16 von 50 gesetzt war,
durfte sich reelle Hoffnungen auf eine obere Platzierung machen. Hingegen ging es für
Kristoffer (lediglich mit dem Startplatz 44, wegen einer DWZ von 1854 und einer ELO
von 1926) nur um gute Partien und die Möglichkeit etwas zu lernen.
Schon bei der Anmeldung fiel die sehr gute Organisation durch die
Veranstalter auf. Zwar war nicht sofort ersichtlich wo die beiden stärksten Gruppen
ihre Partien ausfechten sollten, aber auf Nachfrage wurde einem nicht nur die Räumlichkeiten,
sondern auch gleich die komplette Turnierplanung erklärt. Der Startschuss zur
ersten Runde kam pünktlich um 10:30 Uhr. Tobias bekam es mit der Nr. 41 (DWZ:
1823, ELO: 1938) zu tun, also einem vermeintlich leichteren Gegner. In einem abgelehnten
Budapester Gambit konnte aber keiner von beiden einen Gewinnweg finden und man einigte
sich auf ein Remis.
Selbiges Ergebnis schien auch für Kristoffer der Fall zu sein, der sich in der
Französischen Abtauschvariante gegen die Nr. 19 (DWZ: 1909, ELO: 2017) zu behaupten
versuchte. Dieser wollte aber natürlich gewinnen und schaffte es auch bald sich
eine vorteilhafte Stellung zu erarbeiten. Allerdings suchte er etwas zulange nach dem
Gewinnweg und verpasste es die Zeitkontrolle nach dem 40. Zug zu erreichen und so gab
es einen etwas überraschenden Sieg für Kristoffer.
In der Pause gab es dann das traditionelle Schachspieleressen: ein Brötchen mit
Wurst (was selbst für Studenten dank der Mensa ungewohnte Kost ist). Die restliche
Zeit bis zur nächsten Partie wurde dann mit einem Nickerchen in der strahlende
Sonne vertrieben und damit ganz nebenbei der gewohnte Tagesablauf der Studenten wieder
eingenommen.
Pünktlich um 16 Uhr wurde dann die zweite Runde eröffnet.
Dieses Mal spielte Kristoffer gegen die Nr. 13 (DWZ: 1969, ELO: 2053) kompromisslos
auf Sieg und konnte schließlich auf sehenswerte Weise den vollen Punkt einfahren.
Damit gehörte er zu den wenigen, die nach den ersten beiden Runden immer noch
die volle Punktzahl aufweisen konnten. Auch für Tobias verlief die zweite erfolgreich.
Gegen die Nr. 49 (DWZ: 1879, ELO: 1907) konnte er in einer Katalanischen Partie zunächst
einen Bauern und schließlich das ganze Spiel gewinnen. Mit 1,5 Punkten waren
auch für ihn die ersten sechs Plätze in Reichweite und man war gespannt,
was der nächste Tag bringen würde.
Obwohl die dritte Runde bereits um 9.00 Uhr begann und man daher bereits um 7:30 Uhr
aufstehen musste (die Hochphase des Schlafes für Studenten), wirkten beide fit
und konnten weitere Siege erringen. Bei Kristoffer, der sich auf einmal am zweiten
Brett wiederfand, musste wieder einmal die Zeit nachhelfen. In einer für ihn aussichtslosen
Stellung fand sein Gegner erst den einzigen Zug, der den gesamten Vorteil weggab und
zeitgleich war seine Bedenkzeit komplett aufgebraucht. Somit war er noch immer ohne
Punktverlust, was sonst nur dem späteren Turniersieger Tobias Warnecke gelang.
Sein Bruder brauchte hingegen nicht die Hilfe der Zeit. In einer etwas schlechteren
Stellung fand er ein Turmopfer, was ihm am Ende den vollen Punkt einbrachte. Mit nun
2,5 Punkten gehörte er damit zu einer kleinen Gruppe, die den beiden Führenden
noch folgen konnte.
Nach dem typischen Mittagessen (dieses Mal gab es eine Frikadelle
mit Brötchen) und dem Mittagsschläfchen in der Sonne konnte man ein fast
vertrautes Bild aus der Liga erkennen, denn dort spielt Tobias für gewöhnlich
am ersten Brett und Kristoffer am zweiten. Dieses Mal war es aber umgekehrt und so
traf man sich zu den beiden Spitzenduellen zur vierten Runde (Kristoffer an Brett 1
gegen die Nr. 6 (DWZ: 1981, ELO: 2079) und Tobias an Brett 2 gegen die Nr. 7 (DWZ:
2046, ELO: 2078)).
In einer Sizilianisch-Variante konnte Kristoffer seinen Gegner auf unbekanntes Terrain
lenken. Zwar verlor er im Mittelspiel einen Bauern, konnte allerdings in ein ungleichfarbiges
Läuferendspiel abwickeln und man einigte sich dann schnell auf Remis. Dadurch
geriet die Tabellenführung beider Spieler nicht in Gefahr und man hatte beste
Chancen bei noch einer ausbleibenden Partie einen der begehrten Plätze unter den
ersten sechs zu ergattern. Tobias bekam es mit dem wahrscheinlich stärksten Spieler
in dieser Gruppe, einem 16-jährigen Talent aus Kassel, zu tun. Schon früh
konnte er seine Klasse zeigen und brachte Tobias in eine sehr gedrückte Stellung.
Aber dank des auf den ersten Blick komischen Zuges Se8 konnte dieser zunächst
eine uneinnehmbare Festung errichten und sich schon bald befreien. Am Ende stand eine
gerechte Punkteteilung und so gehörten beide zu der Verfolgergruppe mit 3 Punkten.
Damit war klar: wer sich qualifizieren möchte, der musste die letzte Runde gewinnen.
Tobias spielte am vierten Brett gegen die Nr. 11 (DWZ: 2029, ELO:
2057) mit den weißen Steinen, was für gewöhnlich ein Vorteil ist. Der
Gegner tauschte aber die meisten Figuren ab und so schien es, als ob man sich auf ein
Remis einigen müsste. Dann aber ein Fauxpas von Tobias im Endspiel, wodurch er
einen Bauern einstellte. Trotz guter Gegenwehr konnte er die drohende Niederlage nicht
mehr abwenden und beendete so das Turnier mit 3 Punkten aus 5 Spielen und dem 9. Platz,
was ein respektables Ergebnis ist, das zudem einen kleinen DWZ-Zuwachs versprach.
Nachdem die Paarung am ersten Brett schnell remis ausging, hatte Kristoffer mit einem
Sieg an Brett 2 sogar noch die Chance auf den Turniersieg. Sein Gegner war derselbe,
dem sein Bruder in der Runde zuvor einen halben Punkt abnehmen konnte. Nach einer Ungenauigkeit
in der Eröffnung wurde Kristoffer ohne jegliche Chancen überspielt und musste
schon bald die Segel streichen. Da viele Spieler an den Brettern dahinter remisierten,
wurde es bis zur Siegerehrung spannend, ob er die Überraschung, die Qualifikation,
tatsächlich schaffen sollte. Leider fehlte in der Endabrechnung in der Feinwertung
ein halber Punkt, sodass er denkbar knapp 7. wurde. Dennoch ist das ein unerwartet
gutes Ergebnis und so konnten beide Brüder auf ein erfolgreiches Turnier zurückschauen.
Vielleicht klappt die Qualifikation ja im nächsten Jahr. Dann sind sie zwar immernoch
Studenten, haben aber mehr Erfahrung mit dem frühen Aufstehen gesammelt.
Bericht und Fotos von Kristoffer und Tobias Falk |
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